Der Architekt und Sachverständige für nachhaltiges Bauen, Gerd Priebe, hat ein denkmalgeschütztes Objekt aus dem 19. Jahrhundert auf außergewöhnliche Weise mit BauBuche revitalisiert.
Das aus dem Baujahr 1873 stammende, vormalige Kutscherhaus der im Krieg zerstörten Villa des Rittergutsbesitzers Max Gottlieb Nordmann in der Bautzner Straße von Dresden stand seit bald 20 Jahren leer, es drohte gar der Verfall. Einzig die Gebäudehülle aus 50 cm dicken Sandsteinblöcken, punktuell ergänzt mit angestrichenen Ziegeln, war noch einigermaßen intakt, wohingegen das Dach nach einem Brandschaden kurz vor dem Abriss stand. Die Dresdner Denkmalbehörde mochte das einzigartige Höckerbauwerk aus dem 19. Jahrhundert zwar erhalten, zeigte sich jedoch gleichzeitig offen für die Idee eines Haus-in-Haus Konzeptes. Denn eine übliche Restauration des Kutscherhauses wäre viel zu aufwendig, kosten- und zeitintensiv gewesen, zumal der drohende Historismus die Nutzungsoptionen stark limitiert hätte. Vielmehr galt es den umbauten Raum einer vielfältigen und zeitgemäßen Nutzung zuzuführen, und dabei das Vorhandene mit etwas Neuem zu verknüpfen. Im Zuge umfänglicher Recherchen stellte sich heraus, dass die BauBuche mit ihren vielschichtigen Qualitäten den Anforderungen des Architekten hinsichtlich Statik und Konstruktion, Haptik und Optik wie auch an die Materialeffizienz nahezu idealwertig entsprach. Zudem mochte Gerd Priebe die Narben der Zeit am alten Kutscherhaus nicht kaschieren, und zugleich den Aufbruch und die Vitalität über den heute wieder modernen Werkstoff Holz aufgreifen und neu interpretieren.
Zunächst musste das ehemalige Kutschenhaus getrocknet, entkernt und gesichert werden. Innerhalb der bestehenden Mauern platzierte der Architekt eine völlig eigenständige, freistehende Holzkonstruktion aus 50 m³ BauBuche, die sich über eine Grundfläche von 1375 m² erstreckt. Dieser Holzbau ist in drei Abschnitte unterteilt, die jeweils aus einer einschichtigen Holzschale mit sieben Geschossen von je 170 m² bestehen. Die alte Steinhülle schützt den Holzbau vor Witterungseinflüssen. Die Verwendung von nachwachsendem Holz für das Innere des Gebäudes spiegelt den Geist des Bewahrens und Erhaltens in einem breiteren Kontext wider. Die Holzkonstruktion besteht aus 680 mm x 40-20 mm x 7 m großen BauBuche-Platten, die von der Tischlerei Heinke bearbeitet wurden. Das ehemalige Kutscherhaus mit Kutscherunterkünften, Stallungen und Heuwagen dient heute als modernes, gemischt genutztes Gebäude mit Wohn- und Büroflächen. Es ist auch ein Lehrstück für modernes Design und nachhaltiges Bauen geworden. Um zu zeigen, dass man sich nicht von der Vergangenheit aufhalten lassen sollte, wurde der Holzbau so konzipiert, dass er über das Dach des ehemaligen Kutscherhauses hinausragt und so eine zusätzliche Nutzfläche von 55 m² entsteht. Mit diesem Schritt wollte Gerd Priebe auch die Investitionssicherheit optimieren, denn zu einer sinnvollen Sanierung gehört für ihn immer auch die Wirtschaftlichkeit.
Alle Wände, Böden, Decken, Innentüren und Verkleidungen sind in BauBuche ausgeführt. Nur die Außentüren und die Fensterrahmen sind aus massivem Fichtenholz. Auf der neuen Stahlbetonbodenplatte wurde ein 30 cm dicker Buchensockel verlegt und mit Hilfe eines Lasers nivelliert, der als Bausockel dient. Er trägt die BauBuche-Elemente, die mit verzinkten Stahlschalenschrauben aneinander befestigt werden. Die BauBuche-Pfosten und -Balken bilden das Tragwerk für die Hülle aus nur 40 mm dicken BauBuche-Platten, die ohne weitere Dämmung verlegt werden. In den Hohlräumen zwischen den Elementen ist die Haustechnik untergebracht. Dank der schützenden Steinschale hat der innere Holzbau nur dünne Wände und bietet mehr Nutzfläche. Die präzise Vorfertigung der Elemente auf CNC-Fräsmaschinen in den beiden Zimmereien verhinderte Materialverschwendung und sorgte für eine äußerst ansprechende Ästhetik des Innenraums. Die Architektur des wiederbelebten Kutschenhauses ist in vielerlei Hinsicht einzigartig. Obwohl sich der Grundriss der bestehenden Struktur nicht für ein minimalistisches Raumkonzept eignete, erreichte der Designer eine verblüffende Einfachheit durch eine harmonische Abfolge von engen und weiten Räumen und wechselnder Beleuchtung.
Passend zu den nachhaltigen Baumaterialien wird das Gebäude mit Carbonvlies-Heizelementen beheizt, die in jedem zweiten Deckenfeld integriert sind und mit Strom aus nachhaltigen Quellen betrieben werden. Das System ist mit großen Spezialfolien ausgestattet, die die langwellige Strahlungswärme der Carbonvlieselemente in den Raum reflektieren. Diese Lösung ist wesentlich kostengünstiger und nachhaltiger als eine herkömmliche rohrbasierte Wärmeverteilung mit Pelletbrenner oder Wärmepumpe. Zur Haustechnik gehört auch eine CO2-gesteuerte, zentrale Lüftungsanlage mit integrierter Wärmerückgewinnung. Die elegante und effiziente Holzkonstruktion hält auch ohne den zusätzlichen Schutz der bestehenden Sandsteinhülle der Witterung stand. Nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip des Bauens können rund 85 Prozent der Materialien des restaurierten Kutscherhauses wiederverwendet oder recycelt werden. Gerd Priebe wollte mit diesem Projekt einmal mehr konkrete Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft geben: „Im Bauwesen werden dringend effektive und ganzheitliche Lösungen benötigt, die es uns ermöglichen, nachhaltig für zukünftige Generationen zu bauen“, sagt Gerd Priebe. Er hofft, dass Projekte wie sein Kutschenhaus dabei eine Vorreiterrolle spielen. – Text by Marc Wilhelm Lennartz –
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