Die neue Produktionshalle des Schweizer Unternehmens SIGA ergänzt seit Mitte 2018 die Bestandsgebäude am Standort Schachen. Von außen zeigt sie sich optimal eingebunden, von innen strahlt die Architektur den innovativen Charakter des Neubaus aus. Er resultiert aus dem filigranen Dachtragwerk aus BauBuche-Fachwerkbindern und Brettschichtholz-Querträgern. In Kombination mit der GSA-Verbindungstechnik steigert die Holzkonstruktion ihre Leistungsfähigkeit zusätzlich.
Seit Mitte 2018 hat das Schweizer Unternehmen SIGA eine neue Produktionshalle in Schachen, in der Gemeinde Werthenstein im Kanton Luzern. Die neue Halle wurde als Anbau an die bestehenden Gebäude errichtet. Das hohe Umsatzwachstum der SIGA-Produkte in der Schweiz und in Deutschland hatte zum Entscheid geführt, die Kapazitäten zu erweitern. Entstanden ist eine 10,65 m hohe Halle mit einem Grundriss von fast 36 m Breite und 67,50 m Länge. Darüber hinaus wurde der Bürotrakt um ein zusätzliches Stockwerk aufgestockt. Entworfen wurde der Anbau von Dubach Holzinger, denselben Architekten, die bereits im Jahr 2000 die erste Produktionshalle für das Familienunternehmen errichtet hatten. Sie fügten Produktionshalle und Bürotrakt zu einem homogenen Gefüge zusammen, das mit unbehandelter, sägerauer Douglasie verkleidet ist. Das neue Gebäude hebt sich daher in seinen Dimensionen, Materialien und dem Dachprofil von der Umgebung ab.
Natürlich war es wichtig, dass der Bau der neuen Halle kosteneffizient ist, was zu der Frage führte, ob eine Holzkonstruktion verwendet werden sollte oder nicht. Aber die Kosten waren nicht der einzige entscheidende Faktor. Als renommierter Zulieferer für Holzbausysteme und die Fensterindustrie (Bänder, Folien und Dichtungen) galt es, dies auch bei der Materialwahl zu dokumentieren – zumindest zu einem großen Teil. So entschied man sich für ein System mit Materialmix: eine Dachkonstruktion aus Holz auf vorgefertigten Stahlbetonstützen.
Um die 36 m breite Halle optimal zu überspannen, setzten die Planer nicht nur Stahlbetonstützen in den Achsen der Längswände ein, sondern auch eine Reihe von Mittelstützen. Dadurch konnte die lichte Spannweite auf 18 m reduziert werden. Da es sich um eine Industriehalle handelt und die Sichtqualität nicht oberste Priorität hatte, war es möglich, für das Dachtragwerk entsprechend der statischen Erfordernisse und Anforderungen verschiedene Holzarten zu wählen. Als geeignete Geometrie für eine ebenso tragfähige und architektonisch ansprechende wie wirtschaftliche Lösung wählten die Tragwerksplaner der PIRMIN JUNG Schweiz AG aus Rain (Schweiz) für das Primärtragwerk Fachwerkträger; jedoch nicht aus Brettschichtholz – die Querschnitte und die Konstruktionshöhe wären recht klobig ausgefallen –, sondern aus hochtragfähiger BauBuche. Ihre hohen Festigkeitswerte und Materialeigenschaften ermöglichten trotz der Spannweite und den großen Auflasten aus dem begrünten Dach besonders schlanke Querschnitte und damit ein filigranes Erscheinungsbild: So haben die 17,40 m langen BauBuche-Fachwerkträger mit 2,6 m eine recht geringe Konstruktionshöhe und Gurtquerschnitte von nur 30 cm mal 30 cm. Die Höhe der Fachwerkträger nimmt zur Mittelstütze hin sogar noch auf 2,40 m ab, da die Entwässerung in der Mitte des Daches erfolgt. Im Abstand von 9,60 m spannen in sechs Querachsen je zwei Fachwerke als Einfeldträger von den Außenstützen zur Mittelstütze. Gelagert sind sie an den Außenstützen auf den ausgeklinkten Stahlbeton-Stützen, wobei die Obergurte an den Brettschichtholz-Randbalken anschließen, die in Hallenlängsachse über die ausgeklinkten Stahlbeton-Stützenköpfe geführt sind. Am unteren Auflagerpunkt Konsole/Fachwerkträger erhielten sowohl die Stahlbetonstützen als auch die Untergurte werkseitig Stahlplatten. Auf der Baustelle wurden diese dann konstruktiv miteinander verschweißt. Für die Querträger des Sekundärtragwerks setzten die Tragwerksplaner dann Brettschichtholz aus Fichte- und Tanne ein.
Ein wichtiges Element der Dachkonstruktion ist die so genannte GSA-Technik (GSA = „Gewinde Stangen Anker“), ein Gewindestangenankersystem. Das formschlüssige Verbindungssystem wurde von der Firma „Neue Holzbau“ aus Lungern entwickelt, die auch die Holzkonstruktion hergestellt und geliefert hat. Das System besteht aus geklebten Stahlverbindern, die sich durch hohe Festigkeit und Steifigkeit sowie gute Verformungseigenschaften auszeichnen und für eine schnelle und einfache Montage auf der Baustelle ausgelegt sind. Dies ist besonders vorteilhaft bei der Verwendung von BauBuche, die trotz ihrer hohen Tragfähigkeit nicht speziell für die Verarbeitung auf der Baustelle ausgelegt ist. An den Anschlusspunkten der Querträger wurden zwei GSA-Ringe an den Fachwerkbindern eingelegt und an den Fachwerkträgern ein speziell für dieses Projekt entwickeltes Stahlverbindungselement verwendet. Diese Konstruktion ermöglicht eine einfache Verbindung auf der Baustelle in Form einer einfachen Steckverbindung, die durch eine Schraube gehalten wird. Auch bei der Herstellung der BauBuche-Fachwerkträger wurde die GSA-Technologie eingesetzt. Anstelle von Schlitzblechen mit Dübelverbindungen wurden alle Fachwerkstöße mit GSA-Verbindern ausgeführt. Zur Übertragung von Zug- und Druckkräften sind die Fachwerkträger mit sechs Diagonalen und sieben Senkrechtstäben ausgestattet. Letztere sind mit den Querträgern verbunden, um die Lasten optimal von der Sekundärstruktur über die Hauptstruktur auf die Stützen zu übertragen. Betrachtet man die Konstruktion der Mittelsäulenreihe von der Seite, quer zur Längsrichtung, so ist in jedem zweiten Feld eine Diagonalstrebe vorhanden, die vom Kopf der Stahlbetonstütze zum Querträger führt und diesen zangenartig umschließt. Diese Diagonalstreben haben die Aufgabe, die Fachwerkträger an den Stützen zu fixieren, so dass der Verbindungspunkt statisch nicht als Scharnier fungiert.
Die Montage der Halle erfolgte Feld für Feld: Nach dem Aufstellen von sechs vorgefertigten Stahlbetonstützen wurden die entsprechenden Fachwerkträger angeschlossen. Danach folgte die Befestigung der Querträger. Um einen flächenbündigen Anschluss herzustellen, wurden die Querträger um die Dicke der Dachelemente gegenüber der Oberkante der Fachwerkträger abgesenkt. In Bezug auf den Brandschutz gibt es für eingeschossige Hallen in der Schweiz keine gesetzlichen Vorgaben. Der Bauherr hat die Halle dennoch mit einer Sprinkleranlage ausgestattet. Die komplett vorgefertigten Wand-, Decken- und Stützelemente ermöglichten es, die Produktionshalle in nur vier Wochen zu errichten. Die gesamte Planungs- und Bauzeit betrug 14 Monate.
-Text von Susanne Jacob-Freitag-
Beratung für Architekten, Bauingenieure, Bauherren und Holzbauunternehmen