Mit insgesamt 350 Plätzen ist der neue Hörsaal H9 das aktuell größte Auditorium der Hochschule Bochum. Nicht zuletzt, weil das Hörsaalgebäude direkt an ein geschütztes Waldgebiet angrenzt, forderte die Hochschule Bochum im hierfür ausgelobten öffentlichen Vergabeverfahren die sensible Einbettung in das natürliche Umfeld und ein konsequent nachhaltiges Gebäudekonzept. Das Banz + Riecks Architekten den Zuschlag erhielten, hat mehrere Gründe. Beispielsweise schlug das im Bau von Holz- und Nullenergiehäusern erfahrene Büro ein Gebäude vor, das sich mit großer Selbstverständlichkeit sowohl in den bestehenden Hörsaalkomplex als auch in den Naturraum einfügt. Letzteres gelingt mit einem weit auskragenden Baukörper, dessen Betonsockel den Erdboden nur auf relativ kleiner Fläche berührt. Wesentlich für den Gewinn des Vergabeverfahrens waren aber auch das grazile Holztragwerk und die großflächige Glasfassade, die den Hörsaal leicht und elegant wirken lassen und einen engen Bezug zum Wald herstellen.
Der Hauptzugang zum neuen Hörsaal erfolgt über das große, introvertierte Foyer im ersten Stock des Lehrgebäudes. Das Foyer verbindet den neuen Hörsaal mit acht anderen Hörsälen. Wenn die Studierenden die Tür zu H9 öffnen, betreten sie jedoch einen Raum, der sich völlig von den anderen Hörsälen im Gebäude unterscheidet, die kein Tageslicht haben, in denen der Dozent vorne sitzt und man normalerweise nur den Rücken der Kommilitonen sieht. In H9 betreten sie ein lichtdurchflutetes Atrium auf Galeriehöhe. Tageslicht flutet durch die riesigen dreifach verglasten Fenster. Ihr Blick könnte über die Baumkronen des Waldes draußen schweifen. Wenn sie die Treppe hinuntergehen, um einen freien Platz zu finden, betreten sie einen Raum, in dem sie tatsächlich die Gesichter anderer Studenten sehen und mit ihnen in Kontakt treten können. Weitere Merkmale, die im Hörsaal H9 ins Auge fallen, sind die eleganten BauBuche-Pfosten und die Kastenrasterstruktur der Decke mit einer Elementbreite von 22 m, ebenfalls aus BauBuche.
Banz + Riecks Architekten wollten von Anfang an ein Dachtragwerk aus Holz bauen, das nicht hinter einer abgehängten Decke versteckt, sondern als gestalterisches Element sichtbar sein sollte. Die ersten Planungen gingen von einer Kombination aus Haupt- und Hilfsträgern aus. Angesichts der großen Spannweite hätte eine solche Konstruktion ziemlich hohe Träger erfordert. Außerdem hätte das Auditorium ein wenig wie eine Fabrik- oder Sporthalle ausgesehen, was für einen Ort des Lernens als unpassend empfunden wurde. Um dies zu vermeiden, entschieden sich die Planer für eine Konstruktion ohne definierte Hauptachse. In enger Zusammenarbeit mit dem Tragwerksplaner Burkhard Walter entwickelten sie eine 3,6 x 3,6 m große quadratische Rasterkonstruktion mit einem einheitlichen Elementquerschnitt. Eines der innovativen Konstruktionsmerkmale sind die gelenkigen Verbinder, die die Konstruktion von einer auf Biegekräfte ausgelegten Struktur in eine Struktur verwandeln, die Scherkräfte überträgt. Da die Lasten nur in vertikaler Richtung auf die Gitterebene übertragen werden, konnte der Querschnitt der einzelnen Elemente klein gehalten werden. Für die Konstruktion der Gitterstruktur bot die BauBuche zwei entscheidende Vorteile gegenüber anderen Materialien. Zum einen konnten die Abmessungen deutlich kleiner gehalten werden, als dies mit Hartholz möglich gewesen wäre. Dies ist natürlich auf die überragende Tragfähigkeit und die hohe Biege- und Scherfestigkeit von BauBuche zurückzuführen. Zum anderen war die technische Anmutung der BauBuche genau das, was die Architekten für ihre Sichtdachkonstruktion wollten. „Wir wollten einen Raum schaffen, in dem Architektur und Technik für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Gleichzeitig mussten wir hohe Anforderungen an die Akustik und die Energieeffizienz erfüllen. BauBuche erwies sich als ideales Material für dieses Projekt und erfüllte alle Anforderungen“, erklärt Dietmar Riecks von Banz + Riecks Architekten.
Die Gitterkonstruktion besteht aus BauBuche-Trägern mit einem Querschnitt von 20 x 128 cm, die als vorgefertigte Elemente in drei verschiedenen Längen zum stumpfen Einbau auf die Baustelle geliefert wurden. Sie sind mit Querkraftverbindern aus Stahl verbunden, mit Aufhängebeschlägen an den Längsseiten und eingefrästen Aussparungen an den Stirnseiten der Balken. Dank der eingefrästen Aussparungen an den Kreuzungspunkten sind diese Verbinder wirkungsvoll verdeckt, so dass die Dachkonstruktion vollständig aus Holz zu bestehen scheint. Der verdeckte Einbau der Stahlelemente erhöht auch die Brandsicherheit der Konstruktion, da die Verbinder vor der Einwirkung von Feuer geschützt sind. Ebenso unsichtbar sind die stählernen Verbindungselemente, die den Holzriegel mit den 20 x 40 cm großen BauBuche-Pfosten entlang der Glasfassade verbinden, an die er gestoßen ist. Diese Befestigungen bestehen aus Stahlstäben und Schrauben, die die verschiedenen Elemente in Position halten. Die Pfosten entlang der Wände sind außergewöhnlich schlank und elegant. Dies wurde möglich, da die Gitterkonstruktion als strukturelle Ebene fungiert, die die horizontalen Kräfte nicht auf die Holzpfosten, sondern auf die Betonwand überträgt, die den Zuschauerraum vom Foyer trennt. Ohne diese Ebene wären die Planer gezwungen gewesen, Verbindungen auf der Pfostenebene einzubauen oder sich für eine Rahmenkonstruktion zu entscheiden.
Die Montage des Stützgitters begann in einer der Ecken des Gebäudes. Mit Hilfe eines Gerüsts wurden die BauBuche-Elemente miteinander verbunden, während die Arbeiter zur gegenüberliegenden Ecke vordrangen, die Elemente mit Vollgewindeschrauben sicherten und ohne Dach über dem Kopf arbeiteten. Im November dauerte es nur zwölf Tage, bis die Konstruktion fertiggestellt war. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde sie zu einer tragenden Konstruktion. Um das Buchenholz vor Witterungseinflüssen zu schützen, wurde es mit reißfester Folie umwickelt, nachdem es mit einem diffusionsoffenen, wasserabweisenden Anstrich versehen worden war. Dauerhafter Schutz wird durch die 10 cm dicke Brettstapeldecke und den Dachaufbau gewährleistet. Unterhalb der Brettstapeldecke befinden sich Akustikplatten aus Fichte. Zusammen mit den abgehängten LED-Leuchten akzentuieren sie die einzelnen Holzgitterquadrate in der Untersicht.
Holz ist das vorherrschende Material im Auditorium, von der tragenden Struktur über das industrielle Eichenparkett bis hin zu den Klappsitzen und der anthrazitfarbenen Wandverkleidung. Dies verleiht dem Raum eine sehr ruhige Atmosphäre und verbessert die Akustik. Da Holz ein nachwachsender Baustoff ist, erfüllt der Hörsaal die von der Universität in der Ausschreibung geforderten Anforderungen an Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. Das Gebäude ist sogar um 50 % energieeffizienter, als es die Energieeinsparverordnung (EnEV) vorschreibt, und wird über eine geothermische Quelle beheizt und gekühlt. Das Auditorium H9 ist zweifellos ein Vorzeigeobjekt für zeitgemäße Gebäudegestaltung und wird hoffentlich bald Vorlesungen des Fachbereichs Architektur der Universität beherbergen.
-Text von Roland Pawlitschko-
Beratung für Architekten, Bauingenieure, Bauherren und Holzbauunternehmen