Mit dem Neubau der SWG-Produktionshalle in Waldenburg ist ein einzigartiges Gebäude entstanden. Das Dachtragwerk aus hochtragfähiger BauBuche überbrückt enorme Spannweiten in filigraner Konstruktion und übersetzt den architektonischen Entwurf damit in idealer Weise. Neben dem Hartholz trugen auch die Verbindungsmittel in Kombination mit zimmermannsmäßigen Verbindungen zum Gelingen bei.
Die SWG Schraubenwerk Gaisbach GmbH hat an ihrem Stammsitz in Waldenburg im Gewerbepark Hohenlohe nahe der Autobahn A6 ein einzigartiges Gebäudeensemble mit einer Produktionshalle, einem Bürogebäude und einem Ausstellungspavillon geschaffen. Die neue Halle erweitert die Produktionskapazitäten des Unternehmens erheblich und ist ein Pionierprojekt, das neue Maßstäbe im Holz- und Ingenieurbau setzt.
Die Menschen hinter dem u of buildings sind das Team um Hermann Kaufmann aus Schwarzach in Österreich und seine neuen Partner Christoph Dünser, Roland Wehinger und Stefan Hiebeler, die Anfang 2018 das Architekturbüro HK Architekten gegründet haben. Mit Bezug auf das Hauptgeschäft der SWG, die Schrauben für den Holz- und Metallbau herstellt, wählten die Planer Holz für das Tragwerk und Blech für die Fassade.
Mit beachtlichen Abmessungen von knapp 96,50 m Breite und 114 m Länge nimmt der rund 12 m hohe Hallenneubau eine Fläche von 11.000 m2 ein. Die Halle ist fünfschiffig angelegt und wird von einem kammartig geformten Dach überspannt. Die Hallenschiffe sind rund 18,50 m breit. Ihre Dachflächen verspringen in regelmäßigen Abständen nach unten, wo sie etwa 5 m auf dieser Höhe weitergeführt werden, um dann wieder in die ursprüngliche Höhe überzugehen. Diese regelmäßigen Versprünge gliedern einerseits die großflächige Halle, andererseits haben sie dieselbe Funktion wie Sheddächer: Sie sorgen für viel Tageslicht im Halleninneren – nur in umgekehrter Ausführung, weshalb Hermann Kaufmann sie auch als Shed-Gräben bezeichnet.
Das Tragwerk des Daches ist einzigartig und setzt neue Maßstäbe – nicht zuletzt in Bezug auf die Größe und eine Reihe von Konstruktionsmerkmalen. Die Fachwerkträger sind in hochfester BauBuche ausgeführt. Die Hauptfachwerkträger, die die Halle in Längsrichtung überspannen, sind mit 82 m Länge und 3,80 m Höhe wahrlich beeindruckende Dimensionen. Sie werden von einem einzigen Mittelpfosten aus BauBuche getragen und sind als Zweifeldträger mit Querschnitten von 40 m bzw. 42 m ausgeführt. Die Querfachwerkträger mit einer Höhe von 1,50 m verlaufen im rechten Winkel zu den oben genannten Trägern. Sie überspannen 18,30 m und liegen auf den Hauptfachwerkträgern auf. Dank seiner hohen Festigkeit ermöglicht BauBuche extrem schlanke Querschnitte, eine Option, die Hermann Kaufmann sofort ansprach: „Die BauBuche-Träger sind ein wesentliches Merkmal unseres Entwurfs. Die Abmessungen der Holzelemente sind außergewöhnlich gering. Man kann sich kaum vorstellen, dass sie noch schlanker sind als entsprechende Stahlträger. Vom Boden aus betrachtet, wirken die Träger hoch oben im Dach fast schwerelos“, schwärmt Kaufmann. Durch den Einsatz von BauBuche konnte der Holzbedarf für die Konstruktion auf ein Minimum reduziert und damit die Ressourcen geschont werden.
Die Statiker der SWG-eigenen Ingenieurabteilung „SWG Engineering“ mit Sitz in Rülzheim haben die meisten Anschlüsse und Knotenpunkte als Zimmermannsverbindungen ausgeführt. Dabei haben sie traditionelle Lösungen an das Material BauBuche angepasst und optimiert. Für die Übertragung von Druckkräften setzten die Ingenieure beispielsweise verlängerte Mehrstufenfugen ein, eine angepasste Version der seit Jahrhunderten bekannten Fersenkerbung. Verbindungen, die Zugkräften ausgesetzt sind, werden hauptsächlich mit Schrauben befestigt. Bei der Konstruktion nutzten die Ingenieure die statischen Eigenschaften der BauBuche-Elemente optimal aus und konnten so eine filigrane und materialsparende Konstruktion entwickeln. An den Knotenpunkten der Hauptfachwerkträger an den Mittelpfosten liegt die Tragfähigkeitsausnutzung bei bis zu 99,9 Prozent. Die größte Herausforderung für die Ingenieure war die sichere Übertragung von großen Kräften über kleine Querschnitte. Die Kräfte, die die SWG-Ingenieure bei diesem Projekt zu bewältigen hatten, waren um ein Zehn- oder gar Hundertfaches größer als die, die sie normalerweise bei ihrer Arbeit antreffen. Es gelang ihnen jedoch, elegante Lösungen für alle Knotenpunkte zu finden.
Betrachtet man die „Puzzle“-Verbindungen zwischen den Hauptfachwerkträgern und den Mittelpfosten im Detail, wird das „Missverhältnis“ zwischen den zu übertragenden Kräften und den Abmessungen der Holzelemente besonders deutlich: Der Pfosten sowie Ober- und Untergurt messen 28 cm in der Höhe und 32 cm in der Breite, die Diagonalen haben ein Höhen/Breiten-Verhältnis von gerade einmal 24 cm x 32 cm. Während die Normalkraft an diesen Stellen „nur“ etwa 200 kN beträgt, müssen die Untergurte auf beiden Seiten etwa 1,2 MN aushalten, die Diagonalkräfte erreichen sogar 2 MN, was wahrlich gigantisch ist. Die zweiteiligen Mittelpfosten tragen demzufolge Lasten von 2,8 MN. Diese Pfosten sind ebenfalls aus BauBuche und messen 2 x 28 cm in der Breite und 32 cm in der Tiefe, entsprechend der Breite des Untergurtes.
Das Innere der Halle wird von freiliegenden Holzelementen dominiert, die dem Raum ein natürliches Aussehen verleihen und ein angenehmes Arbeitsumfeld schaffen, wie es in Fabrikhallen selten ist. Dieser Zusatznutzen war einer der Gründe, warum sich der Bauherr für eine Holzkonstruktion entschied, denn die SWG wollte sicherstellen, dass die Mitarbeiter, die ihren gesamten Arbeitstag in dem Gebäude verbringen, eine gute Arbeitsumgebung und -atmosphäre genießen. Dass dies erreicht werden konnte, ist vor allem der filigranen Dachtragkonstruktion aus BauBuche zu verdanken, denn sie verleiht dem Raum Eleganz und Leichtigkeit zugleich.
Mit BauBuche ließ sich jedoch nicht nur der architektonische Entwurf ideal umsetzen, sondern auch viele Kostenfaktoren positiv beeinflussen. Es ergab sich sogar ein kostensparender Nebeneffekt wie dieser: Durch die schlanken Querschnitte der BauBuche-Bauteile fielen die Höhen der Fachwerkträger im Vergleich zu anderen Materialien sehr viel niedriger aus, was zu einer geringeren Gebäudehöhe und damit zu weniger Material für die Gebäudehülle insgesamt führte.
Insgesamt wurden bei diesem Gebäude rund 1.800 m³ Holz verbaut, davon rund 420 m³ BauBuche. Durch die Entscheidung für diesen speziellen Laubholzwerkstoff konnten die Bauherren den CO²-Ausstoß über eine Nutzungsdauer von 50 Jahren im Vergleich zu einer konventionellen Bauweise um rund 3.600 Tonnen reduzieren. Da die BauBuche aus lokalem Holz hergestellt wird, trägt ihre Verwendung auch zur lokalen Wirtschaft bei.
Mit der Entscheidung für eine Holzbauweise geht die SWG mit gutem Beispiel voran und schützt das Klima, denn der natürliche Werkstoff speichert CO², statt es freizusetzen. Die SWG ist überzeugt, dass ihre neue Halle weltweit Aufmerksamkeit erregen wird, da sie zeigt, was moderne Holzbautechnik bei großen Gebäuden leisten kann.
Die 1967 gegründete SWG gehört zur Würth-Gruppe und ist einer der führenden Hersteller von Schrauben in Europa. Das Unternehmen beschäftigt rund 230 Mitarbeiter und produziert bis zu 12 Millionen Schrauben pro Tag – Tendenz steigend. Bei der Planung der neuen Halle wurden bereits die zukünftigen Bedürfnisse des Unternehmens berücksichtigt. Da die SWG davon ausgeht, dass die Nachfrage nach Holz- und Metallbauschrauben in den nächsten Jahren weiter steigen wird, ist die neue Halle so konzipiert, dass sie bei Bedarf problemlos um weitere 11.000 m² erweitert werden kann.
-Text von Susanne Jacob-Freitag-
Beratung für Architekten, Bauingenieure, Bauherren und Holzbauunternehmen